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„Programmieren, IT und Software sollten nicht mehr mit einem Geschlecht assoziiert werden“
Der 5. GEWINN-Fachtag am 20. September 2019 in Köln steht unter dem Motto: „Weibliche IT-Talente: entdecken, fördern, sichern!“. Dr. Sabine Hahn eröffnet die Veranstaltung mit ihrem Vortrag: „Allein auf weiter Flur vs. die Zukunft ist weiblich. Quo Vadis Frauen in der IT?“. Die promovierte Medienwissenschaftlerin ist nach über zehn Jahren in der Digitalwirtschaft im In- und Ausland seit 2013 als selbständige Beraterin tätig. Der Fokus ihrer Arbeit liegt in der Beratung von Unternehmen im Kontext der digitalen Transformation, Diversity ist eines ihrer Leidenschaftsthemen. Neben ihrer Promotion zu Frauen in der Games-Branche hat Sabine Hahn auch ein Buch zu Gründerinnen in der Games- und Medienbranche veröffentlicht. Im Vorfeld des Fachtags hat sie uns ein paar Fragen beantwortet.
Woran liegt es, dass Frauen in der IT unterrepräsentiert sind?
Klassischerweise wird behauptet, dass Frauen sich nicht für technische Bereiche wie die IT interessieren – doch das halte ich für ein Stereotyp. Stattdessen denke ich, dass die geringe Anzahl von Frauen viel mit den Rahmenbedingungen in der IT-Branche zu tun hat. Wie attraktiv ist es für Frauen, dort zu arbeiten – und ihre Karriere dort nicht nur zu beginnen, sondern auch fortzuführen? Das größte Problem besteht nicht darin, Frauen zu gewinnen, sondern eher, sie zu halten. Bei der Bezahlung, den Karrieremöglichkeiten und der Vereinbarkeit von Familie und Beruf kann noch viel getan werden, damit gut ausgebildete Frauen nicht in andere Jobs wechseln.
Wo bzw. bei wem liegt die Verantwortung, wenn es darum geht, Frauen für die IT zu begeistern, sie auf ihrem Weg zu unterstützen und in der Branche zu halten?
Durch viele Gespräche unter anderem mit Gründerinnen im Games-Bereich habe ich festgestellt, dass die Sozialisation eine große Rolle spielt. Im Bildungsbereich, im Elternhaus und im Freundeskreis gilt häufig nach wie vor die Logik: Frauen verstehen nichts von Technik. Die Unternehmen sind dafür verantwortlich, Frauen zu rekrutieren und mit konkreten Maßnahmen dafür zu sorgen, dass diese auch bleiben. Nicht zuletzt sind aber auch die Frauen selbst in der Verantwortung. Eine Anspruchshaltung allein reicht nicht: Frauen müssen lernen, sich zu positionieren und zu präsentieren. Zugeständnisse und Erfolge fallen nicht vom Himmel.
Welche Rolle spielt das Team und die Teamkultur?
Die Teamkultur ist wichtig, muss aber immer im Kontext von Unternehmenskultur gedacht werden. Auch hier haben Frauen die Verantwortung und die Chance, diese Kultur zu prägen, dafür zu sorgen, dass die Rahmenbedingungen angepasst werden und bei den Dingen, die ihnen nicht gefallen, Veränderungen angestoßen werden. Frauen sind ein Stück weit in der Pflicht, zu bleiben, hartnäckig, resistent und auch resilient zu sein.
Es stimmt, dass Phänomene wie „leaky pipeline“ und „glass ceiling“ (je höher im Management, desto weniger Frauen) in der IT besonders und vor allem schon lange ein Thema sind, doch eigentlich gibt es ähnliche Tendenzen auch in vielen anderen Branchen wie der Automobilindustrie, dem Versicherungs- oder dem Pharmabereich. Das macht es natürlich nicht besser, sollte aber nicht vergessen werden.
Digitale Technologien bestimmen immer mehr unsere Lebens- und Arbeitswelt – was bedeutet es für diese Technologien, wenn kaum Frauen bei der Entwicklung beteiligt sind?
Untersuchungen haben gezeigt, dass Diversität, bezogen auf unterschiedliche soziale Kategorien, in Teams generell und auch in Softwareentwicklungsteams wichtig und gut ist: für die Unternehmen, für die Kreativität, für die Atmosphäre. Als Frau in einem Unternehmen der Tech- oder IT-Branche zu arbeiten, ist auch gut für die Frauen selbst, denn das sind die Unternehmen, die die Zukunft mitgestalten.
Der Zusammenhang zwischen diversen Teams und Produkten ist ganz klar. Wenn Designerinnen oder Entwicklerinnen im Team sind, ist eine differenziertere Sicht auf die Nutzerinnen und Nutzer eher gewährleistet. Ein „Klassiker“ in meiner Branche ist der typische Marketing-Fail, ein Mobiltelefon für Frauen pink zu machen oder mit Diamanten zu besetzen.
Wie können weibliche IT-Talente erkannt und optimal gefördert werden? Wie kann verhindert werden, dass gut ausgebildete Frauen die IT wieder verlassen?
Ich bin optimistisch und überzeugt, dass es viele gute HR-Maßnahmen gibt, mit denen man Frauen fördern und sie ermutigen kann, zu bleiben. Dazu gehören die Flexibilisierung von Arbeit, zum Beispiel durch Home-Office, Teilzeitmöglichkeiten, Familienfreundlichkeit, Förderung von weiblichen Karrieren, Mentoring-Programme, weibliche Role-Models und die Unterbindung von diskriminierender Kommunikation.
Was wünschen Sie sich für die IT-Branche in 10 Jahren?
Ich wünsche mir, dass die IT-Branche kreativ, schnelllebig, offen und divers ist. Nachdem wir lange über Frauen in der IT diskutiert haben, wünsche ich mir, dass das irgendwann kein Thema mehr und das Klischee „Davon verstehen Frauen nichts“ komplett überwunden ist. Programmieren, IT und Software sollten nicht mehr mit einem Geschlecht assoziiert werden. Und: Programmieren sollte ein Schulfach sein.
Was sind Ihre Erwartungen an den Fachtag?
Mit Blick auf das Programm und die Teilnehmerinnen und Teilnehmer freue ich mich besonders auf das Networking und daraus resultierende neue Erkenntnisse und Perspektiven.
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